Vonovia enteignen!

Das System Vonovia: Das Maximum herausholen: Miet- und Wertsteigerung, Expansion und Insourcing beim größten deutschen Wohnungskonzern, Vortrag von Daniel Zimmermann (DMB)

Vonovia ist mit Abstand das größte börsennotierte Wohnungsunternehmen Deutschlands. Mit der Übernahme der Deutsche Wohnen im vorigen Jahr ist ein Großkonzern mit über einer halben Million Wohnungen entstanden. Zum Geschäftsmodell von Vonovia referierte Daniel Zimmermann, der sich für den DMB-Bundesverband mit dem Schwerpunkt „Große Wohnungsunternehmen“ befasst, im Oktober letzten Jahres in Osnabrück. Wir dokumentieren diesen Vortrag in Auszügen.

Zum Einstieg will ich die Vonovia selbst zu Wort kommen lassen. Vonovia ist unheimlich gut in PR – also „Public Relations“, in Öffentlichkeitsarbeit. In einer Vonovia-Pressemitteilung anlässlich der angekündigten Übernahme der Deutsche Wohnen im Mai 2021 – mittlerweile hat diese Übernahme ja geklappt – heißt es:

„Durch den Zusammenschluss wollen Vonovia und Deutsche Wohnen ein mieterorientiertes und gesellschaftlich verantwortungsvolles Wohnungsunternehmen schaffen, das in enger Partnerschaft mit der Politik verlässlich zur notwendigen Lösung vor allem für den Berliner Wohnungsmarkt beitragen kann.“

Und dann ein weiteres Beispiel – gleicher Monat, anderer Zusammenhang: Die Vonovia gibt einen sogenannten Nachhaltigkeitsbericht heraus. Das tun auch andere große Konzerne – heute geht ja nichts mehr ohne das Thema „Klima“. Vonovia unterstreicht darin den Anspruch, engagierter Akteur für die Energiewende und den klimaneutralen Wohnungsbestand zu sein, Zitat:

„Vonovia ist Teil der Gesellschaft. Als verantwortungsvoll handelnder Vermieter und Arbeitgeber haben wir eine besondere Verantwortung sowohl für unsere mehr als eine Million Kundinnen und Kunden in Deutschland, Österreich, Schweden – als auch für die Gesellschaft, die Umwelt und die Aktionärinnen und Aktionäre und natürlich für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.“

Das sagt der Chef von Vonovia, Vorstandsvorsitzender Rolf Buch. Wenn man den reden hört, könnte man meinen, er kandidiere für den Posten des Sozialministers. In den Pressemitteilungen und anderen Veröffentlichungen von Vonovia kommen Sachen vor wie: Vonovia setzt sich für bezahlbaren, bedarfsgerechten, klimafreundlichen Wohnraum ein und den altersgerechten Umbau der Wohnungen. Man ist sogar dafür, den kommunalen Wohnungsbestand auszubauen – das ist tatsächlich eine Aussage von Vonovia.

Und dann geht es weiter: Quartiersentwicklung, Zukunft, Vielfalt, kulturelles Engagement, Nachhaltigkeit und so weiter. Ich lasse das jetzt mal so stehen. Das ist, was dieser Konzern selbst von sich sagt.

 

Vonovia – kurzer Überblick
Vonovia ist nicht irgendein Unternehmen. Ein kurzer Überblick: Vonovia bewirtschaftete schon vor der Übernahme der Deutsche Wohnen fast 500.000 Wohnungen. Davon besitzt sie selbst 415.000, weitere rund 70.000 Wohnungen werden für Dritte verwaltet.

355.000 dieser Wohnungen befinden sich in Deutschland, der Rest verteilt sich hauptsächlich auf Schweden und Österreich. Der Bilanzwert der Immobilien wird auf fast 60 Milliarden Euro beziffert – das sind zehn Prozent mehr als im Jahr zuvor, in diesem Fall also 2020, und wird jedes Jahr mehr.

Marktkapitalisierung bedeutet: Wie viel ist das Unternehmen an der Börse wert? Es waren im letzten Jahr rund 33,8 Milliarden Euro, 7,8 Milliarden mehr als im Jahr davor. Die Mieteinnahmen summieren sich auf rund 2,3 Milliarden, auch hier eine Steigerung von etwa zehn Prozent.

Fast eine Milliarde Euro ist allein für das Geschäftsjahr 2020 an Dividende ausgeschüttet worden. Nicht alles geht als Geld raus, sondern ein erheblicher Anteil der Aktionäre, ungefähr 50 Prozent, wandelt das in neue Aktien um. Das ändert aber nichts daran, dass dieser Wert an die Aktionärinnen und Aktionäre geht.

 

Ein Konzern – 500 Unternehmen
Vonovia umfasst 500 Einzelunternehmen – das heißt 500 Unternehmen gehören zur Konzernmutter Vonovia SE. Die sind ganz unterschiedlich. Ich führe das kurz aus, weil das für jede Mieterin und jeden Mieter relevant wird, spätestens dann, wenn sie oder er ein Problem hat.

Unter diesen 500 Vonovia-Unternehmen gibt es bestandshaltende Objektgesellschaften – das sind die eigentlichen juristischen Eigentümer der Immobilien.
Das sind irgendwelche GmbHs, die meist nicht einmal Vonovia im Namen tragen. Diese juristische Eigentümerstruktur hat steuerliche Gründe: Werden anstelle der Grundstücke und Gebäude die besitzhaltenden Gesellschaften verkauft – und das nur zu bestimmten Anteilen –, muss keine Grunderwerbsteuer gezahlt werden. Damit hat sich die Vonovia bereits Steuern im Milliardenbereich gespart.

Außerdem gibt es jede Menge Verwaltungs- und Servicegesellschaften bei Vonovia. Da gibt es Gesellschaften für die Objektbetreuung – Hausmeister, Wohnumfeld, Treppenhausreinigung, Gartenpflege und so weiter. Für Modernisierungsarbeiten setzt die Vonovia mittlerweile hauptsächlich eigene Beschäftigte ein oder lässt sie über eine eigene Firma abwickeln, die den Auftrag wieder an andere Firmen vergibt. Handwerkerdienstleistungen, Wartung, Multimedia, Ablesung, Energieversorgung und so weiter – alles das erledigt der Konzern mit seinen Tochterunternehmen selbst. Und dann gibt es, wie in so einem Unternehmen üblich, noch jede Menge Dienstleister für Finanzfragen – das geht dann bis nach Luxemburg.

Das alles ist Vonovia – eine riesige Struktur.

 

Expansionsgeschichte
Angefangen hat Vonovia, der Konzern hieß damals noch nicht so, mit dem Kauf von 65.000 Eisenbahnerwohnungen. Das war im Jahr 2001. Dann wurde zwei Jahre später die BIG Heimbau AG (Kiel, Hamburg) mit 10.000 Wohneinheiten übernommen. Gerade im Ruhrgebiet gehören der Vonovia Wohnungen, die vor Jahrzehnten für die Beschäftigten von Unternehmen gebaut wurden. Dazu zählen 4.500 Wohneinheiten von RWE (Kauf im Jahr 2004) und ein Riesendeal mit 152.000 Wohneinheiten der Viterra AG, heute E.ON, im Jahr 2005. Zu diesem Zeitpunkt war alles noch „Private Equity“, also eine ganz andere Struktur als heute.

Bis zur Finanzkrise ging die Expansion stetig weiter, erst 2009 geriet der Prozess ins Stocken. Die Einkaufstour wurde aber seit 2014 munter fortgesetzt mit 46.500 Wohneinheiten (WE) aus verschiedenen Portfolien. 2015 waren ganz entscheidend die Übernahmen der GAGFAH (145.000 WE) und der SÜDEWO (19.800 WE). Im selben Jahr sagte man sich: Deutsche Annington – so hieß Vonovia bis dahin – und GAGFAH haben beide keinen besonders guten Namen. Mit dem Zusammenschluss benannte man das Ganze also um – und zwar in „Vonovia“. Während dieses Jahres wurde die Vonovia dann auch in den DAX aufgenommen – in den DAX 30, als eines der 30 größten Unternehmen Deutschlands.

In den nächsten Jahren ging es weiter: 2017 expandierte man ins Ausland, nach Österreich, später folgte dann mit der Übernahme von Victoria Park der Einstieg in Schweden. Vonovia sicherte sich einen Anteil einer Investorengemeinschaft in Frankreich, kaufte 2019 weiter in Schweden ein und 2020 auch Anteile in den Niederlanden.

Vonovia geht in die Mietmärkte, die regulierter sind, wo die Mieterquote höher ist. Man sucht nach Märkten, die ähnlich aufgestellt sind wie die, die man schon kennt.

 

Dauernder Expansionsdrang
Das reicht Vonovia aber nicht, der Konzern ist noch nicht groß genug. Letztlich hat Vonovia im dritten Anlauf sogar Deutsche Wohnen übernommen. Beim dritten Anlauf waren Vonovia, die Deutsche Wohnen und die dahinterstehenden Investoren sich angeblich einig. Und das heißt: Vonovia wächst weiter, erst einmal um weitere 155.000 Wohnungen, wird also allein in Deutschland rund 500.000 Wohnungen besitzen. Ein paar zehntausend werden wahrscheinlich verkauft, um die Übernahme zu finanzieren, aber das ist eine andere Sache.

Durch die Übernahme kommen weitere 28 Milliarden Euro an Immobilienwerten dazu und zusätzlich 840 Millionen Mieteinnahmen pro Jahr. Das heißt: Vonovia ist mit großem Abstand das größte deutsche Wohnungsunternehmen. In bestimmten Städten liegt die Besitzquote an Mietwohnungen dann auch schon einmal deutlich über zehn Prozent.

Und auch das reicht noch nicht: Es gibt da die Adler-Group, einen Investor aus der zweiten Reihe mit ungefähr 70.000 Wohnungen. Bei dem sieht es nicht so gut aus mit der Finanzlage, deshalb verkauft die Adler-Group derzeit 15.000 Wohnungen. Vonovia hat sich gesagt: Okay, dann sichern wir uns schon mal eine Kaufoption auf 13,3 Prozent der Anteile der Adler-Group und überlegen dann im nächsten Jahr, ob wir die nicht auch schlucken. Niemand soll denken, dass die Vonovia aufhört zu expandieren.

Das ist übrigens auch ein Kennzeichen börsennotierter Unternehmen oder überhaupt dieses Typus von Konzern: der Expansionsdrang.

 

Öffentlich gebaut, privat verwertet
Um sich ein Gesamtbild zu verschaffen, muss man auch schauen, um welche Art von Wohnungsbestand es sich bei Vonovia handelt. Der Konzern hat ja nicht irgendwelche Wohnungen und behauptet sogar, vergleichsweise günstig zu vermieten.

Vonovia und andere, zum Beispiel die LEG in NRW, haben vor allen Dingen Bestände, die in den vergangenen Jahrzehnten, vor allen Dingen in den 1950er-, 60er- und 70er-Jahren, mit beträchtlichen öffentlichen Mitteln gebaut worden sind. Diese Wohnungen sind damals errichtet worden mit dem Ziel, sie auch dauerhaft bezahlbar anzubieten und gemeinnützig zu bewirtschaften.

Das war damals in gewissem Maße eine politische Zielrichtung: Auf dem Wohnungsmarkt ein Segment zu schaffen, das anders reguliert ist, Druck abfängt und Wohnraum anbietet für diejenigen, die es sonst schwer hätten, auf dem Markt etwas Bezahlbares zu finden.

Und genau diese Bestände gibt es nicht mehr – sie sind jetzt an der Börse. Das ist die Dramatik dahinter – und dieser Prozess lässt sich nicht so leicht zurückdrehen.

 

Das Geschäftsmodell
Was ist jetzt das Geschäftsmodell von Vonovia? Ganz grundsätzlich kann von den börsennotierten Wohnungsunternehmen nicht gesagt werden, es gebe nur ein Geschäftsmodell und sie seien alle gleich. Die unterscheiden sich schon, und wenn man sich Vonovia anguckt, ändert sich das auch im Laufe der Zeit.

Aber es gibt ein paar typische Sachen, die gleich geblieben sind, ein paar Punkte, die man sich merken kann. Wachstum: Sie müssen größer werden. Das hat etwas mit dem sogenannten Skaleneffekt zu tun, der im großen Konzern günstiger wird. Es hat natürlich auch etwas mit Marktmacht zu tun. Wer schluckt wen? Wenn Vonovia nicht so gewachsen wäre, wäre vielleicht eine andere Gesellschaft gekommen und hätte Vonovia geschluckt.

Und es hat damit zu tun, dass durch das Wachstum der Bilanzwert größer wird. Das ist wiederum relevant für die Frage, was beliehen werden kann. Was kriegt man an Anleihen ausgegeben? Wie ist der Verschuldungsgrad des Unternehmens? Also ein sich selbst verstärkender Kreis.

Und was macht die Vonovia, um die Mieterlöse zu erhöhen? Sie dreht überall daran, wo noch mehr Geld zu holen ist. Sie versucht, möglichst wenig auszugeben und ist sehr aktiv in der Frage, welche Bestände gekauft oder verkauft werden und optimiert so die Geschäftsgrundlage.

Ein wichtiges Mittel, um die Mieten zu erhöhen, sind Modernisierungen. Da wird zum Beispiel eine energetische Sanierung gemacht – da kommt also Styropor an die Wand, eine neue Heizungsanlage wird eingebaut und so weiter. Das erlaubt Vonovia, die Mieten zu erhöhen. Dann gibt es die Leerstandsreduzierung – die ist bei Vonovia im Prinzip vollzogen. Vonovia ist sozusagen ausgebucht, bis auf die letzte Wohnung.

Wichtig ist ferner die Kostenoptimierung: Vor allen Dingen versucht Vonovia, die Kosten für Instandhaltung gering zu halten und stattdessen zu modernisieren. Instandhaltung, das ist vor allem ein juristischer Begriff. Wenn der Vermieter zum Beispiel in der Pflicht ist, etwas zu reparieren oder eben instand zu halten, dann muss er die Kosten dafür tragen. Da rechnet es sich vielleicht, zu warten, bis alles kaputt ist. Das hat im Mietbereich den großen Vorteil, dass – wenn der Vermieter eine Modernisierung daraus macht – er zumindest versuchen kann, einen Großteil der Kosten auf die Miete umzulegen.

Überdies gibt es bei Vonovia auch noch die Tarifflucht: Im Konzern gibt es noch ungefähr 20 Prozent Tarifbindung aus alten Arbeitsverträgen. Alle, die da neu hereinkommen, haben keine Tarifbindung mehr.

Und schließlich betreibt die Vonovia das sogenannte „Insourcing“. Das heißt, dass man alles selbst macht. Erstens, weil das einige steuerliche Vorteile hat, und zweitens, weil es auch neue Gewinnchancen bietet. Dazu werde ich gleich noch kommen.

 

Der Bilanzwert
Wie sieht das dann konkret aus? Zwei Zahlen: Die Wohneinheiten der Vonovia haben sich seit dem Börsengang 2013 bis zum Jahr 2020 mehr als verdoppelt auf das 2,4-Fache. Aber der Immobilienwert ist im gleichen Zeitraum um das 5,7-Fache gestiegen. Das ist doch interessant, denn die Gebäude sind ja nicht jünger geworden.

Da ist einiges an Modernisierungsinvestitionen reingeflossen, aber im Wesentlichen sind das Buchwerte, die da entstanden sind, sozusagen theoretischer Wert. Und das in ganz erheblichem Ausmaß: Auf fast 60 Milliarden Euro geht das hoch.

Das bilanzielle Wachstum ist also ein entscheidendes Merkmal. Diese Bilanzwerte – ohne da jetzt einen Exkurs zu machen – werden nicht nach ihrem Sachwert berechnet. Da kommt kein Baugutachter und sagt, der Stein ist fünf Euro wert und die Heizungsanlage noch 2.000 Euro, sondern das ist eine finanzwirtschaftliche Berechnung, die im Prinzip die nächsten zehn Jahre prognostiziert. Da ist einberechnet: Wie ist die Marktentwicklung, wie werden die Mieten steigen, wie ist das Zinsumfeld? Das macht den Bilanzwert der Bestände bei Vonovia aus.

Jetzt kann man sich die Frage stellen: Was würde denn passieren, wenn die Mieten nicht steigen würden? Dann hätte das Unternehmen ein Problem – und zwar im Milliardenbereich. Vonovia hat also auch aus diesem Blickwinkel ein besonderes Interesse daran, dass die Mieten steigen. Sie muss quasi dieser prognostizierten Entwicklung jedes Jahr Geltung verschaffen. Das ist ein immanenter Druck, tatsächlich Mieten zu steigern.

 

Mietpreistreiber
Vonovia und alle anderen sagen: Wir vermieten zu bezahlbaren Preisen. Das sagen die immer und verweisen auf den bundesweiten Mietendurchschnitt. Der liegt bei rund sieben Euro und Vonovia bei jetzt ungefähr bei 7,16 Euro im Bundesschnitt. Das liegt aber daran, dass sie sehr günstig gestartet sind. Die Mieten sind deutlich gestiegen.

Einen Teil machen die „marktbedingten Mietsteigerungen“ aus (siehe Grafik). Vonovia tut so, als wäre sie für diese Art der Mieterhöhung nicht verantwortlich, als könnte sie nichts dafür. Das stimmt natürlich nicht. Das sind Mieterhöhungen, die Vonovia vornimmt, mit Bezug auf die ortsübliche Vergleichsmiete. Darin enthalten sind auch die Neuvermietungsdifferenzen – wenn die Wohnung neu vermietet wird, dann zu einem höheren Preis.

Doch diese „marktbedingten Mietsteigerungen“ nehmen immer mehr ab. Meine Interpretation ist, dass die Vonovia derzeit in vielen Orten nicht mehr viel erhöhen kann, weil sie schon am Mietspiegel dran ist – das ist sozusagen schon „ausgereizt“.

Dann gibt es die Modernisierungen. Durch Modernisierungen nimmt das Unternehmen im Schnitt den größten Teil seiner Mieterhöhungen vor. Das waren zuletzt rund 20.000 Wohnungen im Jahr, die modernisiert wurden – mal mehr, mal weniger. Ein Anteil am Gesamtbestand, der sich maximal im einstelligen Prozentbereich bewegt, aber für den größten Anteil an den Mietsteigerungen verantwortlich ist. Dann der Neubau: Die Vonovia baut jetzt zusätzlich neu, weil sich Neubau natürlich auch teuer vermieten lässt.

Gäbe es diese Modernisierungsumlage nicht, mit der die Mieter diese Maßnahmen quasi über Mieterhöhungen finanzieren würden, dann sähe diese Grafik garantiert anders aus. Dann wären auch die Verlautbarungen der Vonovia zum Thema Klimaschutz etwas zurückhaltender. Klimaschutz ist für Vonovia dann gut, wenn er sich rentiert.

Es gibt übrigens bei der Modernisierungsumlage keine Verbindung zwischen der Effizienz einer Maßnahme, beispielsweise einer energetischen Modernisierung, und der Höhe der Mieterhöhung. Selbst wenn damit nur ein Kilowatt eingespart würde, könnte trotzdem die volle Mieterhöhung geltend gemacht werden. Es gibt da gar keinen Zusammenhang.

 

Vonovia macht’s selbst
Jetzt zum „Insourcing“ – ein wichtiger Punkt. Früher hat der Wohnungskonzern alles outgesourct, ausgelagert. Und dann hat Vonovia-Chef Rolf Buch angefangen, alles wieder in den Konzern zu holen. Buch kam damals von Bertelsmann, Insourcing und Outsourcing waren seine Spezialgebiete. Alles wurde also wieder „eingesourct“ – und das hat einige Gründe und unter anderem etwas mit der Umsatzsteuer zu tun. Die liegt bei 19 Prozent. Wird eine externe Firma für die Vonovia tätig, stellt sie ihre Rechnung inklusive dieser Umsatzsteuer aus. Die konzernverbundenen Tochterunternehmen, die sich regelmäßig in einer sogenannten Umsatzsteuerorganschaft befinden, müssen das nicht. Der Konzern kann sich diese 19 Prozent dadurch ersparen. Das ist ein Anreiz, aber nicht der einzige.

Schauen wir uns eine typische Betriebskostenabrechnung an, dann kommen darin zahlreiche Kostenpunkte vor: Grundsteuer, Straßenreinigung und so weiter und so fort – die Liste wird immer länger. Da ist der Hauswart, also die Vonovia-Immobilienservice GmbH. Die Gartenpflege, den Winterdienst und die Reinigung übernimmt die Vonovia Wohnumfeld Service GmbH. Erdgas wird zunehmend von der Vonovia Energie Service GmbH geliefert. Wartung und Trinkwasserprüfung hat früher die Deutsche TGS erledigt, jetzt übernimmt das hauptsächlich die Vonovia Engineering GmbH. Geräte, Miete und Abrechnung: Vonovia-Mess Service GmbH.

Sehr viele Tätigkeiten, vor allem große Kosten verursachende wie die Brennstoffversorgung, regelt die Vonovia selbst. Fragt jetzt einer: „Ich will aber gerne wissen, ob diese Kosten tatsächlich angefallen sind. Hat das denn wirklich so viel gekostet?“ Dann sagt die Vonovia: Hier habe ich den Beleg. Vielleicht sagt sie auch erst einmal nichts, aber dann kriegt man ganz viele Blätter zugeschickt: Darin enthalten ist dann zum Beispiel eine Rechnung von der Vonovia-Energieservice GmbH über 4.989 Euro. Aber das ist ja eine Rechnung, die sich die Vonovia selbst ausgestellt hat, vom Tochterunternehmen. Was wir nicht wissen und was die nicht rausrücken wollen: Zu welchem Preis haben die das denn eingekauft?

Es stellt sich natürlich die Frage, ob die Berechtigung für ein solches Vorgehen besteht. Die Vonovia könnte ja billig einkaufen und einfach – quasi an sich selbst – teurer verkaufen. Zahlen muss der Mieter. Das ist ein sehr umstrittener Punkt, auch rechtlich.

Jetzt kommen wir noch einmal zu den Modernisierungskosten. Die Vonovia Modernisierungs GmbH erledigt Dämmungen sowie Fassaden- und Gerüstbau. Mit der Heizung treiben sie das gleiche Spiel. Fenster, Türen der Wohnung – macht auch die eigene Gesellschaft. Und für die Baunebenkosten – ein ganz besonderer Punkt – rechnet die Vonovia beispielsweise eine angebliche Leistung von Architekten und Ingenieuren ab. Das ist bei so einer typischen Heizungsmodernisierung nicht gerade wenig. Das sind übrigens auch eigene angestellte Architekten bei Vonovia, die bei der Vonovia Engineering GmbH sitzen. Aber ob die etwas machen und was die machen, ist nicht nachvollziehbar. Juristisch ist das sehr umstritten. Einen Nachweis legt Vonovia dafür nicht vor.

Im Geschäftsbericht heißt das „value add“ – übersetzt also in etwa zusätzlicher Gewinn oder Wert. Dieser Bereich von Modernisierung bis Betriebskosten lag im letzten Geschäftsbericht so bei 120, 130 Millionen Euro. Diese Sparte wächst schneller als alles andere und andere Unternehmen machen es der Vonovia nach. Die LEG arbeitet mittlerweile zum Beispiel ganz genau nach demselben Muster. Auch kleinere Wohnungsunternehmen fangen damit an, selbst Privatleute. Das macht Schule.

Profite mit der Miete
Jetzt wollen wir doch noch einmal gucken, was für die Aktionärinnen und Aktionäre dabei abfällt. Das kann sich – denke ich – sehen lassen. In den letzten fünf Jahren sind zusammengerechnet rund 3,7 Milliarden Euro vom Konzern ausgeschüttet worden.

Es gibt verschiedene Gruppen, die sich mit Vonovia beschäftigen, unter anderem die sogenannten Kritischen Mieteraktionäre. Die kommen am Ende einer sehr komplizierten Berechnung zu dem Schluss, dass ungefähr 38 Cent pro Euro Miete bei Vonovia in die Dividende umgeleitet wird, also mehr als ein Drittel jedes Mieteinnahmen-Euro. Bei einer – optimistisch angenommenen – Kaltmiete von 450 Euro sind das immerhin 171 Euro.

Die Vonovia sagt zu den Dividenden, das sei keine unanständige Verzinsung. Das seien, berechnet auf den Aktienkurs, nur ungefähr 3,3 Prozent. Das stimmt. Was nicht gesagt wird: Man kann auch an der Aktienkursentwicklung verdienen. Und wenn man so schlau war, als Investor zum Börsengang der Vonovia Aktien zu kaufen, dann hat man das für 17 Euro pro Stück gemacht. Zum Stichtag 15. April 2021 ergibt sich ein Kursgewinn von 41 Euro – der kommt obendrauf. Wenn wir das einberechnen – das kann man übrigens mit dem Vonovia-Renditerechner machen, die haben einen eigenen Renditerechner auf ihrer Website –, dann sind das 17,43 Prozent Rendite pro Jahr als Aktionär. Die Vonovia selbst sagt im Geschäftsbericht: Wer als Aktionär 2013 schon Aktien gekauft hat und immer wieder seine Gewinne in Vonovia-Aktien reinvestiert hat, konnte bis September 2020 – also in sieben Jahren – eine Wertsteigerung von 305 Prozent verzeichnen.

Da kann man sich schon einmal fragen: Wie könnten denn die Wohnungen, wie könnte denn das Wohnen bei so einem Unternehmen sein, wenn dieses Geld nicht an die Aktionärinnen und Aktionäre gehen würde? Was würde passieren, wenn es im Unternehmen bliebe?

Dann wären günstige Mieten möglich und vor allen Dingen könnte man Modernisierungen im Interesse der Mieterinnen und Mieter gestalten – selbst unter den jetzigen Bedingungen.

Verschriftlichung und Bearbeitung: UZ

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Die OB-Kandidatin Meike Siefker (DKP) hat am 30. August 2021 im Piesberger Gesellschaftshaus an einem Wahlhearing zum Klimaschutz teilgenommen und dort folgendes Statement abgegeben:

Systemwechsel statt Klimawandel

Klimaschutz erfordert nachhaltiges Arbeiten, Leben und Wirtschaften. Doch die grundlegende Logik einer kapitalistischen Wirtschaftsordnung besteht in schrankenloser Gewinnmaximierung, bis hin zum Raubbau an der menschlichen Arbeitskraft und an der Natur. Darum halte ich grundsätzlich eine andere Wirtschaftsordnung jenseits der Profitlogik für notwendig.

Doch der Klimawandel wartet nicht, bis es dafür eine Mehrheit gibt. Hier und heute müssen wir der Profitlogik Schranken setzen, so wie es die Arbeiter:innenbewegung gegenüber dem Raubbau an der menschlichen Arbeitskraft erreicht hat. Dabei möchte ich Klimaschutz und die sozialen Interessen von Arbeitenden und sozial Benachteiligten nicht gegeneinander ausspielen, sondern zusammen denken.

Millionärssteuer statt CO2-Steuer

Die CO2-Steuer lehne ich ab. Sie trifft, wie alle Verbrauchssteuern, besonders diejenigen, die einen großen Anteil ihres Einkommens für das täglichen Leben ausgeben, aber kaum Möglichkeiten haben, auf Alternativen umzusteigen: Mieter:innen, Pendler:innen, Geringverdienende. Sie vertieft die Kluft zwischen Arm und Reich, ohne dem Klima wirklich zu helfen.

Ich möchte stattdessen gezielte Investitionen dort, wo Osnabrück besonders weit von den Klimazielen entfernt ist, z. B. für die Verkehrswende. Um den Umstieg vom individuellen Auto auf klimafreundlichere Alternativen zu fördern, brauchen wir ein leistungsfähiges, für jeden bezahlbares Busnetz, eine Stadtbahn, Park-and-Ride-Plätze. Radfahren in Osnabrück darf keine Survival-Übung bleiben.

Dafür brauchen die Kommunen mehr Einnahmen. Ich fordere die Wiedererhebung der Vermögenssteuer als Millionärssteuer. Fürs erste könnte Osnabrück aber schon einiges Geld locker machen durch einen sozialverträglichen Ausstieg aus dem Millionengrab FMO.

Klimakiller Nummer eins: Krieg und Rüstung

Jeder Krieg verursacht enorme Schäden an Menschen und Natur. Doch auch ohne akuten Krieg ist Rüstung ein großer Klimakiller – man vergleiche nur einmal Verbrauch und Emissionen eines SUV mit einem „richtigen“ Panzer. Und: die Mittel, die für Kriege und Rüstung verpulvert werden, fehlen für die notwendigen Investitionen in Verkehrs- und Energiewende. Darum gehören Klima- und Friedensbewegung zusammen – Abrüsten statt aufrüsten!

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“Die Macht der Miethaie zurückdrängen”

UZ-Interview mit Meike Siefker, Pflegefachkraft und ver.di-Aktivistin für das Amt der Oberbürgermeisterin in Osnabrück.

 

UZ: Wie kam es zu deiner Kandidatur?

 

Meike Siefker: Ich bin im Landkreis Osnabrück, in der Stadt Melle, geboren und aufgewachsen. Hier fand meine Politisierung statt, ich wurde Mitglied in der SDAJ, später auch in der DKP Osnabrück.
Aus beruflichen Gründen zog ich 1989 nach Bielefeld und arbeitete als Altenpflegerin bei einem großen kirchlichen Träger. Wir Pflegekräfte wurden jetzt in der Pandemie als „systemrelevant“ beklatscht, leiden aber in diesen traditionellen „Frauenberufen“ seit jeher unter niedrigem Lohnniveau, extrem belastenden Arbeitsbedingungen, Altersarmut und geringen Aufstiegsmöglichkeiten.

Wir lernten, uns dagegen zu wehren. Bei meiner Rückkehr nach Osnabrück vor gut einem Jahr hatte ich im Gepäck Erfahrungen aus 19 Jahren Mitarbeitervertretung, aktiver Mitarbeit in ver.di und dem Aufbau einer Betriebsgruppe der DKP. Meine Genossinnen und Genossen der DKP Osnabrück hielten das für eine gute Voraussetzung, um auch kommunalpolitisch für die Interessen der „kleinen Leute“ gegen das „große Geld“ einzutreten.

 

UZ: Welchen Stellenwert hat die Kommunalpolitik für die DKP in Osnabrück? Fangt ihr inhaltlich bei Null an?

 

Meike Siefker: Die DKP Osnabrück ist bereits 1996 und 2001 zu den Kommunalwahlen angetreten – mit überschaubaren Ergebnissen. Bei der Oberbürgermeisterwahl 1997 erreichte unser Kandidat Wilhelm Koppelmann mit 1,2 Prozent eine sichtbare Anerkennung. 2006 konnten wir im Wahlbündnis „Osnabrücker Linke“ gemeinsam mit PDS und WASG dazu beitragen, erstmals seit Jahrzehnten wieder ein Mandat links von SPD und Grünen im Osnabrücker Rat zu erreichen.

Die Linkspartei kündigte dieses Bündnis bei der Kommunalwahl 2011 einseitig auf. Dies traf uns in einer Situation der Schwäche. Danach konzentrierten wir uns auf die Verbindung von Antifa- und Friedensarbeit mit betrieblicher Interessenvertretung bei Volkswagen.

In den letzten Jahren rückte die Mieten- und Wohnungssituation ins Zentrum der kommunalen Themen. Wir beteiligten uns an einem breiten Bündnis für die Wiedergründung einer kommunalen Wohnungsgesellschaft. Die Kandidatur zur OB-Wahl ist eine logische Konsequenz aus diesem Wiedereinstieg in die Kommunalpolitik.

 

UZ: Welche Schwerpunktthemen habt ihr euch vorgenommen?

 

Meike Siefker: Das Bündnis für bezahlbaren Wohnraum hat 2019 in einem Bürgerentscheid die Wiedererrichtung einer kommunalen Wohnungsgesellschaft erkämpft. Diese hat inzwischen ihre Arbeit aufgenommen. Doch kommunale Neubauten in kleinem Ausmaß werden nicht reichen, um die Marktmacht von Vonovia und anderen Miethaien zurückzudrängen. Und Neubauprojekte geraten sehr schnell in Konflikt mit der Notwendigkeit, die „grünen Finger“ für das Stadtklima zu erhalten.

Darum fordern wir, zunächst Leerstände zu erfassen und zu nutzen. Vonovia und vergleichbare Wohnungskonzerne müssen enteignet, ihre Wohnungsbestände wieder in kommunalen Besitz überführt werden. Bei Neubauprojekten brauchen wir statt Einfamilienhäusern eher flächen- und ressourcensparende, gemeinschaftsfördernde Wohnformen nach dem Vorbild der Gemeindebauten der österreichischen Sozialdemokratie im „Roten Wien“.

Die Verkehrssituation hat besondere Bedeutung für eine soziale und ökologische Stadtentwicklung. Im täglichen Stau wird das Fahrzeug zum Stehzeug. Trotz aller Verbesserungen der letzten Jahrzehnte bleibt beim Öffentlichen Nahverkehr in Osnabrück noch sehr viel Luft nach oben. Aus Bielefeld weiß ich, welche Bedeutung ein Park+Ride-System und eine Stadtbahn für einen attraktiven ÖPNV haben. Radfahren in Osnabrück darf keine Survival-Übung bleiben. Das alles wird nicht gehen, ohne dem individuellen Autoverkehr Straßenraum zu nehmen.

Die Pandemie hat auch gezeigt: Krankenhäuser, die Betten für Corona-Patienten frei hielten, wie das Klinikum am Finkenhügel und das MHO, wurden ökonomisch benachteiligt. Dieses Beispiel zeigt die Folgen von neoliberalen Irrwegen in Gesundheit und Pflege, von Privatisierungen und Profitorientierung. Gesundheit ist zur Ware geworden, die sich immer weniger Menschen leisten können. Diese Entwicklung schädigt alle: Patientinnen, Patienten und Pflegebedürftige, Angehörige und Beschäftigte im Gesundheitsbereich. Also weg von Fallpauschalen, zurück zum Selbstkostendeckungsprinzip.
Weitere wichtige Themen sind Bildung und Kultur für alle und die inhaltliche Ausfüllung des Osnabrücker Anspruchs als „Friedensstadt“.

Wir sagen auch, woher das Geld kommen soll, das in den Kommunen fehlt. Dieses Geld wird für militärische Großmachtpolitik verpulvert und es wird durch eine unsoziale Steuerpolitik den Reichen hinterher geworfen – von den Vertretern der gleichen Parteien, die vor Ort die Finanznot der Kommunen beklagen.

 

UZ: Was wollt ihr mit deiner Kandidatur erreichen?

 

Meike Siefker: Als Realistin rechne ich nicht damit, Oberbürgermeisterin zu werden. Aber wir wollen dazu beitragen, dass Menschen über ihre Situation und die Ursachen dafür nachdenken, Alternativen erkennen, aktiv werden und sich organisieren.

Vor allem möchte ich denen eine Stimme geben, die bei den kapitalorientierten Parteien kein Gehör finden.

Dazu gehören für uns zum Beispiel die Menschen in den ärmeren Stadtvierteln, Erwerbslose und die Arbeitenden in den Niedriglohnbereichen, aber auch kleine Selbstständige, Rentnerinnen und Rentner, Studentinnen und Studenten, Facharbeiterinnen und Facharbeiter sowie Ingenieurinnen und Ingenieure.

 

UZ: Wie gestaltet ihr die Öffentlichkeitsarbeit vor Ort? Ist ein „normaler“ Wahlkampf unter den aktuellen Bedingungen der Pandemie möglich?

 

Meike Siefker: Die Durchführung von Infoständen in der Innenstadt und auf den Wochenmärkten in den Stadtteilen, wie in früheren Wahlkämpfen, ist natürlich durch die Pandemie schwierig geworden. Das behindert besonders das direkte Gespräch mit den Bürgerinnen und Bürgern.

Unser größter Trumpf ist seit Anfang 2021 unsere neue Stadtzeitung, die „Osnabrücker Arbeiterzeitung“. Diese verschicken wir an Interessenten, Bündnispartnerinnen und -partner und verteilen sie bisher in zwei Wohngebieten in die Briefkästen, in einer Auflage von zurzeit 2.000 Exemplaren. Ohne ein Mandat im Stadtrat wird diese in Zukunft auch unser wichtigstes Instrument in der Kommunalpolitik sein.
Außerdem arbeiten wir am Ausbau unserer Social-Media-Auftritte.

 

UZ: Was wäre deine erste Maßnahme als Bürgermeisterin?

 

Meike Siefker: Meine Erfahrung aus der betrieblichen Interessenvertretung lautet: Nur wenn unten gedrückt wird, kommt oben etwas raus! Das ist wie bei einer Zahnpastatube. Insofern wäre mein Anspruch, nicht nur Politik für, sondern mit den Menschen zu machen.

Das Interview ist in der UZ, Ausgabe vom 14. Mai, nachzulesen.

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DKP Osnabrück zur Wohnungsfrage (Stand Juli 2019)

Eine große Mehrheit der Osnabrückerinnen (76,4%) hat am 26. Mai 2019 für eine Kommunale Wohnungsgesellschaft gestimmt. Mit dem Bürgerentscheid ist die Stadt gezwungen, diesem Votum nachzukommen. Nun geht es um die Frage, wie, wo und wieviel bezahlbarer Wohnraum tatsächlich geschaffen wird.

Die Osnabrücker Stadtwerke AG hat Bereitschaft signalisiert, eine Kommunale Wohnungsgesellschaft als Tochterunternehmen der Stadtwerke zu führen. Das Osnabrücker Bündnis für bezahlbaren Wohnraum – Initiatorin des Bürgerentscheids – hat dies zunächst begrüßt, jedoch eine demokratische Beteiligung der Osnabrückerinnen angemahnt.

Entscheidend wird sein, wie eine „substantielle Verbesserung des bezahlbaren, angemessenen und bedarfsgerechten Wohnraumangebots in Osnabrück“ geschaffen werden kann, wie es das Bündnis fordert.

Öffentlich Bauen!
Dazu müssen Wohnungen neu gebaut werden. Konflikte gibt es jedoch dort, wo Grünflächen zubetoniert werden sollen. In anderen Städten ist sogar geplant, Kleingärten für den Wohnungsbau platt zu machen.
Die Stadt Osnabrück plant, das Gelände der Wagenburg Osnabrück am Finkenhügel als Bauland auszuschreiben. WabOS zu verdrängen hieße aber erst einmal, den hier lebenden Menschen ihren Wohnraum zu nehmen. Darüber hinaus würde mit dem Gelände eine Grünfläche mit ehemaligen Hausgärten und einer Streuobstwiese zerstört.
Wo der Bau von Sozialwohnungen geplant ist, sorgen sich Anwohnerinnen, dass ihr Stadtteil zu einem sozialen Brennpunkt wird. Richtig ist: Bezahlbarer Wohnraum muss für alle da sein! Eine Beschränkung der Neubauten auf Sozialwohnungen sowie eine Förderung privater Investoren, die Sozialwohnungen bauen – staatlich gefördert und mit zeitlich begrenzter „Belegungsbindung“ – lehnen wir ab.
Bei Neubauten sind die Anwohnerinnen einzubeziehen und ihre Interessen zu berücksichtigen.

Leerstand nutzen!
Neubau ist nur ein Mittel, um bezahlbaren Wohnbau zu schaffen. Das seit Jahren ungenutzte Gebäude (Ypso) am Neumarkt ist nur ein Beispiel für den Leerstand in Osnabrück. Leerstehende Wohn- und Geschäftshäuser müssen auf eine mögliche Instandsetzung und einen möglichen Umbau zur Schaffung von Wohnraum überprüft werden.

Vonovia enteignen!
Um die Wohnungspreise in Osnabrück spürbar und dauerhaft zu senken und gleichzeitig angemessenen Wohnraum bereitzustellen, müssen Immobilienkonzerne wie Vonovia aus dem Wohnungsmarkt verdrängt werden. Vonovia ist ein gutes Beispiel dafür, wie sich die Privatisierung von öffentlichem Eigentum ausgewirkt hat.
Wo private Investoren Gebäude „modernisieren“, ziehen die Wohnungspreise an, Mieterinnen werden verdrängt. Ein anderes Geschäftsmodell besteht darin, Wohnraum relativ günstig anzubieten, notwendige Sanierungsarbeiten jedoch nicht durchzuführen.
„Enteignen“ darf nicht bedeuten, dass Vonovia weiteres Geld in den Rachen geschmissen wird. Vonovia nun teuer Wohnungen abzukaufen, die die Stadt vor 15 Jahren billig verkaufte, ist keine Option. Die Wohnungen sind – wenn nötig – zu sanieren und Vonovia an den Kosten zu beteiligen, wo Wohnungsbestand vernachlässigt wurde.
Dadurch wird zwar kein neuer Wohnraum geschaffen, aber der Bestand gesichert. Alt- und Neu-Mieterinnen profitieren durch festgelegte, bezahlbare und stabile Mieten.

Boden ist keine Ware wie jede andere. Die Nachfrage ist hoch, dass Angebot an Boden jedoch bleibt begrenzt – Boden kann nicht produziert werden. Steigende Bodenpreise wecken die Begehrlichkeiten von Spekulanten. Die Schlussfolgerung kann nur ein Verkaufsstopp von städtischen Flächen sein. Bestehende Flächen, die für die Stadtentwicklung von Bedeutung sind, sind zu (re)kommunalisieren.

Die kommunale Wohnungsgesellschaft ist ein erster Schritt. Ihre Aufgabe ist die Schaffung von neuem Wohnraum, die Nutzung bestehender Gebäude und die Enteignung von Wohnungen, die sich in den Händen von Immobilienkonzernen befinden. Wir sind Teil des Osnabrücker Bündnisses für bezahlbaren Wohnraum und unterstützen die im Bündnis beschlossenen Forderungen.
Die Schaffung neuen Wohnraums muss kombiniert werden mit einer Politik, die alle Aspekte der Stadtentwicklung mit einbezieht – also auch Fragen der Verkehrspolitik, des Zugangs zu Bildung & Gesundheit, Umweltfragen, usw.